Palliative Care ist die umfassende Sorge für Menschen im Hinblick auf das Ende ihres Lebens. Das Angebot in der Nordwestschweiz ist gut ausgebaut, aber nicht lückenlos, wie die Pantherinnen und Panther am 7. Oktober erfuhren.
«Lebensqualität bis zuletzt!» lautete der Titel der öffentlichen Veranstaltung der Grauen Panther Nordwestschweiz im erneut vollbesetzten Saal des Quartierzentrums Oekolampad. Christine Keller, SP-Grossrätin und Mitglied der Grauen Panther, moderierte Information und Diskussion. Sie weiss, wovon sie spricht, ist sie doch auch als ehrenamtliche Helferin im Bereich Palliative Care tätig.
«Die Begleitung von Sterbenden ist nur ein kleiner Teil unserer Arbeit», erklärte Karin Stumpf Ärztin am Kantonsspital Baselland in Liestal. Das Spital hat keine spezialisierten Palliativ-Betten, aber einen Konsildienst Palliative Care. Ärztlicher Dienst und Pflege sind dabei vernetzt mit weiteren Sparten wie Onkologie, Physiotherapie, Ernährungsberatung usw. Ziel ist eine ganzheitliche Sicht auf den Patienten/die Patientin, ihre Wünsche und Werte, aber auch der Einbezug der Angehörigen, die wichtige Arbeit leisten. Zu oft werde deren Rolle im Spital vernachlässigt nach dem Motto: «Ganz schön, was ihr macht, aber jetzt sind wir dran.»
Schmerzen lindern, Ängste nehmen
Felix Schläfli ist Pflege-Experte beim Mobilen Palliative Care Team Basel. Er schilderte an einem Beispiel eines Patienten, dessen Gesundheit sich in kurzer Frist stark verschlechtert, wie Hausarzt, Spitex und Palliative Care Hand in Hand arbeiten. Es geht darum Schmerzen lindern, Ängste zu nehmen, Vertrauen aufzubauen, Angehörigen beizustehen. Oft sei dieser ideale Ablauf aber nicht gegeben, sagte Schläfli. Gemäss einer Umfrage möchten 70% der Menschen nach Möglichkeit zu Hause sterben; 30% stellen sich einen anderen Ort vor. «Realität ist aber genau das Gegenteil.»
Das Zeitliche segnen
«Spiritual Care», also das Kümmern um seelische Bedürfnisse, ist das Anliegen von Valeria Hengartner, ehemalige Seelsorgerin am Unispital Basel. Sie trat dafür ein, bewusst «das Zeitliche zu segnen», bevor das Leben brüchig wird. Sie beobachte die Tendenz, möglichst alles bis zum Schluss im Griff zu behalten. Es gelte aber auch loszulassen und das Losgelassene wertzuschätzen. Zwar gehörten immer weniger Menschen zu einer Kirche, doch sei das Bedürfnis nach spiritueller Begleitung deswegen nicht geringer.
Hochpolitisches Thema
«Der Bundesrat wird beauftragt, die notwendigen gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, damit eine bedarfsgerechte Behandlung und Betreuung aller Menschen am Lebensende schweizweit gewährleistet ist», heisst es in einer von Ständerat und Nationalrat überwiesenen Motion von 2021. Obwohl man sich offenbar im Grundsatz einig ist, dürften noch etliche Jahre vergehen, bis aus diesem Vorstoss Realität wird. «Palliative Care ist auch ein hochpolitisches Thema», machte Hermann Amstad, Co-Präsident von «palliative bs+bl» klar.
Im Grossen Rat Basel-Stadt wurden im letzten Winter vier Vorstösse zum Thema eingereicht. Dabei geht es um die Schaffung eines Lehrstuhls für Palliativmedizin an der Universität Basel (die anderen medizinischen Fakultäten der Schweiz haben schon einen), die Zertifizierung der Pflegequalität sowie den Zugang der Migrations-Bevölkerung zu palliativen Angeboten. Ein viertes Anliegen ist, dass die Finanzierungslücke beim Einsatz von spezialisierter Palliative Care-Spitex in Alters- und Pflegeheimen geschlossen wird. Der Vorstoss betreffend Lehrstuhl wurde ebenfalls im Baselbieter Landrat eingereicht.
Was im Konzept glänzt, hält in der Praxis nicht immer Stand. Das zeigte sich in der abschliessenden Publikumsrunde. Schwierigkeiten in der Finanzierung führen immer wieder dazu, dass Menschen in der letzten Phase ihres Lebens herumgeschoben werden. Problematisch erscheint auch, dass begleiteter Suizid zwar in Palliativ-Kliniken und Hospizen vorbesprochen und eingeleitet werden kann, der eigentliche Akt aber ausserhalb dieser Institutionen stattfinden muss.
Das spannungsvolle Verhältnis von «Hilfe beim Sterben» und «Hilfe zum Sterben» ist übrigens Schwerpunkt der kommenden regionalen Palliativ-Woche vom 11. Bis 17. November mit rund 20 Veranstaltungen. Informationen dazu: palliativ-woche.ch
Heinz Weber, Text und Foto