Scharfe Kritik der Basler Altersorganisationen an den revidierten Leitlinien zur Alters- und Alterspflegepolitik
Zurück an den Absender, Neuanfang und Überarbeitung unter Einbezug aller betroffenen Organisationen und Fachleute: Dies ist die zentrale Forderung, welche die im Verein 55+ Basler Seniorenkonferenz (BSK) zusammengefassten Altersorganisationen und die Grauen Panther Nordwestschweiz am Freitag an einer Medienkonferenz im Adullam-Spital vorbrachten. Es geht dabei um den Revisionsentwurf zu den Leitlinien für die Basler Alters- und Alterspflegepolitik, den die Altersorganisationen einer grundsätzlichen und scharfen Kritik unterziehen. Obwohl keineswegs alles schlecht sei an diesen Leitlinien, kämen sie insgesamt «mutlos, unverbindlich und voller Lücken» daher, wie Remo Gysin als Co-Präsident der Grauen Panther bilanzierte.
Ohne Einbezug der Altersorganisationen
Bereits das Vorgehen der Regierung stösst auf Kritik: Für Max Gautschi, bis Anfang 2019 Präsident von 55+ BSK, ist es «unverständlich und befremdend», dass 55+ als Gesprächspartner der Regierung in Altersfragen nicht schon bei der Überarbeitung dieser Leitlinien miteinbezogen wurde. Weiter bilde es einen grossen Mangel, dass die Leitlinien nur informativ und nicht verbindlich sind: Zu den einzelnen Themenfelder sollten konkrete Ziele formuliert werden, wie das etwa im Baselbieter Altersleitbild der Fall sei, erklärte Gautschi. Auch das Alters-Diskriminierungsverbot des Bundes gehöre in die Leitlinien. Die wichtigste Forderung des Dachverbands 55+ aber laute: Die Betreuung muss der Pflege punkto finanzieller Unterstützung der Pflege gleichgestellt werden. Denn heute ist das in keiner Weise der Fall.
Schreibstubenarbeit
Auch Remo Gysin ging mit der «Schreibstubenarbeit» bei diesem Entwurf hart ins Gericht. Die Leitlinien sollten die Grundhaltung und Entwicklungsrichtung der Basler Alterspolitik ausdrücken. Das könne niemand allein im stillen Kämmerlein schaffen. Weil das grosse Knowhow der vielen im Altersbereich tätigen Organe und Personen nicht einbezogen wurde, sei es nicht erstaunlich, dass der Entwurf zahlreiche Lücken aufweise und keinerlei Visionen enthalte. Beispiele: Die Alterspsychiatrie fehle vollständig, brennende Themen wie die drohende Altersdiskriminierung angesichts superteurer Krebsmedikamente werde nicht eingegangen, das Thema Sterbebegleitung finde ebenfalls nicht statt. Stattdessen zeugen die vielen Kann-Formeln von der Unverbindlichkeit dieser Leitlinien, die in gewissen Bereichen sogar hinter die Verfassung zurückfielen. Das Wohnen im Alter werde zwar angesprochen, aber von den vier an der Urne gutgeheissenen Initiativen sei nichts zu spüren, wie auch Max Gautschi bemängelt. Am gravierendsten ist laut Gysin das Fehlen der Würde in den Leitlinien: Die Achtung der Würde als zentralem Ausgangspunkt der Alterspolitik sei keineswegs ein selbstverständliches Anliegen.
Deshalb fordern die Altersorganisationen die Regierung auf, die Alterspolitik als departementsübergreifende Querschnittsaufgabe zu begreifen und die Leitlinien interdisziplinär unter Einbezug aller interessierter Kreise komplett zu überarbeiten. Der Entwurf und die oftmals sehr kritischen Vernehmlassungsantworten kommen übrigens in Bälde vor die Gesamtregierung; der Grosse Rat hingegen hat dazu keinen Entscheid zu fällen.
Nein zu innovativem Modell
Auf die Diskrepanz zwischen Pflege und Betreuung wies auch als Grossrätin Beatrice Alder hin: Pflege bei Krankheit wird finanziell abgegolten, die immer wichtiger werdende Betreuung hingegen (noch) nicht. Die Betreuung habe noch keinen Stellenwert in der Politik und komme natürlich auch in den Leitlinien nicht vor. Frau Alder hat seinerzeit im Grossen Rat einen Anzug eingereicht zur sogenannten Zeitvorsorge, ein innovatives Betreuungsmodell, das seit mehreren Jahren in St.Gallen und Luzern funktioniert. Grundidee: Freiwillig Betreuende erhalten für ihre Dienstleistungen an anderen Zeitgutschriften, die sie später bei Bedarf für die eigene Betreuung einlösen können. Die Basler Regierung will nun diesen Vorstoss endgültig abschreiben, weil er zu aufwendig sei und die vielen freiwilligen Engagements konkurrenziere. Beatrice Alder hingegen ist überzeugt, dass sich das Modell angesichts des rasch wachsenden Bedarfs «irgendwann von selbst aufdrängen wird» .Deshalb gelte es, auch hier «dranzubleiben».