Die digitale Gesellschaft ist da

Trotz Allgegenwart der neuen Kommunikation dürfen Menschen nicht abgehängt werden.

„Ich habe sie als ein äusserst aktives Publikum erlebt“, sagte zum Schluss der Diskussion im Münchensteiner Hofmatt-Saal die Gesprächsleiterin Claudia Kenan, Journalistin vom Radio-Regionaljournal Basel. In der Tat hätte diese gut besuchte Mitgliederversammlung problemlos noch eine weitere Stunde dauern können. Pantherinnen und Panther äusserten sich offen und temperamentvoll über ihr Verhältnis zur Digitalisierung und was sie mit sich bringt.

Neben Claudia Kenan standen auf dem Podium: Patrick Frauchiger, Leiter der Geschäftsstelle digitale Verwaltung Basel-Stadt, sowie Annette Stöcker, Mitglied der Geschäftsleitung von Pro Senectute, zuständig unter anderem für das Projekt „Digital Café“, wo ältere Menschen an sechs Standorten in Basel Unterstützung im Umgang mit Handy und iPad erhalten. Peter Howald und Doris Moser Tschumi hatten die Veranstaltung vorbereitet.

Claudia Kenan wandte sich immer wieder mit Fragen ans Publikum. Dabei zeigte sich, dass „Digitalisierung, ja oder nein?“ auch für die ältere Generation kein echtes Thema mehr ist. Eine grosse Mehrheit der anwesenden Pantherinnen und Panther nutzt daheim einen Computer und besitzt ein Smartphone, das nicht nur zum Telefonieren, sondern auch für Dutzende andere Tätigkeiten brauchbar ist. Gut die Hälfte kennt sich mit E-Banking aus. Ebenso viele lösen Bahn-Billette oder Eintrittskarten auf elektronischem Weg.

Hol- oder Bringschuld?

Sehr wohl ein Thema ist aber das „Wie“ der Digitalisierung. Ist es unsere Sache, uns für die Anforderungen respektive Zumutungen der digitalen Welt zu ertüchtigen? Oder wären die Anbieter am Zug, uns zu auszubilden und einzuarbeiten?

Bei der Steuererklärung als Paradebeispiel, ist Patrick Frauchiger, Basels „Chief Digital Officer“, gefragt. Die Politik müsste entscheiden, ob digitale Fitness tatsächlich eine öffentliche Bringschuld ist, und dann die entsprechenden Aufträge erteilen (mit Kostenfolgen). Er setzt aber vor allem darauf, die Anwendungen so einfach wie möglich zu gestalten. Und da gebe es beim Kanton noch viel Potential für mehr Kundenfreundlichkeit. Auch die Billett-Automaten der BVB, deren Verschwinden nun allenthalben bedauert wird, seien ja nicht gerade selbsterklärend. Die Devise des Kantons laute „digital first“ aber nicht „digital only“ – es gehe einfach nicht, einen Teil der Gesellschaft auszugrenzen.

Von mehreren Pantherinnen und Panthern wurden Ängste geäussert. „Man wird in einen Raum gezwungen, in dem man nicht sein will“, sagte eine Frau. Auch die Sorge, etwas falsch zu machen mit unabsehbaren Folgen treibt viele Ältere um. Plötzlich befindet man sich auf einer Internet-Seite mit zweifelhaftem Inhalt oder geht Betrügern auf den Leim. Frauchiger zeigt dafür zwar Verständnis, meint aber: „Das Leben wird sehr kompliziert, wenn man sich bei jedem Schritt fragt, ob das wirklich mit rechten Dingen zugeht.“

Wichtig: Gesunde Neugier

Annette Stöcker von Pro Senectute plädiert für eine „gesunde Neugier“ im Umgang mit der digitalen Welt. „Es gibt tolle Anwendungen, gerade für ältere Menschen. Zum Beispiel Dinge, die den Leuten helfen, länger in ihren eigenen vier Wänden zu leben, was ja alle wollen.“ Und wenn im Spital ein Roboter präzise operiere, sei trotzdem ein Arzt/ eine Ärztin anwesend.

Es gelte, sich bewusst zu sein, dass man mit seinen Schwierigkeiten nicht allein sei, und es nicht als Schande zu empfinden, wenn man auf Probleme stosse. „Sicher ist es ein Gewinn, sich auf die positiven Aspekte zu konzentrieren“, meinte Stöcker. Im „Digital Café“, aber auch in persönlichen Beratungen könne man bei Pro Senectute Beistand erhalten. Wichtig sei im Übrigen die Möglichkeit zum persönlichen Gespräch. Neben dem Kontakt via Internet brauche es weiterhin analoge Anlaufstellen.

Angesprochen wurde auch das Geschäft mit den digitalen Spuren, die wir hinterlassen. Grossverteiler und Online-Anbieter treiben Handel mit Daten unseres Kundenverhaltens. Es gibt Möglichkeiten, dies zu untersagen. Man muss sie allerdings suchen.

Was machen wir damit?

Eine weitere Frau erklärte freimütig: „Ich bin über 80 und habe einfach nicht die Ressourcen, mir die digitale Welt anzuschaffen.“ Aber es sei ihr auch ohne diese Welt wohl. Hanspeter Meier, Co-Präsident, unterstrich, es sei ein grosses Problem, wenn von Menschen mit wenig Geld erwartet werde, dass sie mit aktuellen Geräten ausgerüstet sind.

Am Ende blieb die Frage: Was machen wir damit? Kann die Digitalisierung zu einem Schwerpunkt-Thema der Grauen Panther werden? Können wir eine Arbeitsgruppe zu diesem Thema bilden?

Patrick Frauchiger brachte die Idee von „User Panels“ ins Spiel – Gruppen von Anwenderinnen und Anwendern, die den kantonalen Stellen über ihre Erlebnisse mit digitalen Dienstleistungen berichten oder sich gar an deren Entwicklung beteiligen. Er wäre interessiert, dass Graue Pantherinnen und Panther darin mitarbeiten.

Der Vorstand wird diese Fragen demnächst besprechen und in Kürze wieder orientieren.

Heinz Weber

 

Bildlegende:
Auf dem Podium (von links): Patrick Frauchiger, Claudia Kenan, Annette Stöcker.
Foto hw